Gewinnerzielungsabsicht und Gestaltungsmissbrauch
Die Klägerin war Alleingesellschafterin einer von ihr im Jahr 2015 gegründeten GmbH. Das Stammkapital betrug bei Gründung 25.000 EUR, eingeteilt in 25.000 Geschäftsanteile im Nennbetrag von jeweils 1 EUR. Im Dezember 2015 beschloss die Gesellschafterversammlung eine Kapitalerhöhung um 1.000 EUR, hierzu wurde ein weiterer Geschäftsanteil Nr. 25.001 mit einem Nennbetrag von 1.000 EUR geschaffen und von der Klägerin unmittelbar übernommen. Beschlussgemäß zahlte die Klägerin hierfür neben dem Nennbetrag ein Aufgeld von 500.000 EUR in die freie Kapitalrücklage der GmbH. Am 28. Dezember 2015 veräußerte die Klägerin 300 Geschäftsanteile im Nennwert von je 1 EUR sowie den neuen Geschäftsanteil Nr. 25.001 zu einem Kaufpreis von insgesamt 26.300 EUR an den Kläger, der nun zu 5 % am Kapital der GmbH beteiligt war.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin aus der Veräußerung der GmbH-Geschäftsanteile einen nach § 17 EStG zu berücksichtigenden Verlust. Das Finanzamt (FA) erkannte den aus der Veräußerung des neu geschaffenen Geschäftsanteils herrührenden Verlust nicht an und erklärte, dass es mit den hohen Anschaffungskosten (1.000 EUR Nennwert zuzüglich 500.000 EUR Aufgeld) der Klägerin dahingehend an einer Gewinnerzielungsabsicht gefehlt habe. Aus der Veräußerung der Anteile der Nr. 24 701 bis 25 000 ermittelte das FA dagegen einen nach § 17 EStG zu besteuernden Gewinn.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und auch der BFH hat die Entscheidung des FG Düsseldorf bestätigt und die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten konnte der BFH nicht erkennen. Der BFH hat das in der Praxis angewandte Gestaltungsmodell anerkannt, bei dem gezielt ein Verlust i. S. von § 17 EStG durch die Veräußerung eines GmbH-Geschäftsanteils herbeigeführt wurde, dessen Anschaffungskosten aufgrund eines zuvor im Rahmen einer Kapitalerhöhung gezahlten Aufgelds (sogenannte Überpari-Emission) seinen Verkehrswert überstiegen. Die auch bei den Einkünften aus § 17 EStG erforderliche Gewinnerzielungsabsicht muss sich auf die gesamte Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Kapitalgesellschaft beziehen. Eine auf den einzelnen veräußerten Geschäftsanteil bezogene Betrachtung ist ausgeschlossen.
Das für einen bestimmten Geschäftsanteil gezahlte Aufgeld (Agio) erhöht die Anschaffungskosten dieses Anteils, auch wenn die Summe aus dem Nennbetrag und dem Agio den Verkehrswert des Anteils übersteigt. Das gilt jedenfalls für Veräußerungen bis zum 31. Juli 2019.
Die gezielte Herbeiführung eines Verlusts durch die Veräußerung eines GmbH-Geschäftsanteils, dessen Anschaffungskosten aufgrund eines Aufgelds seinen Verkehrswert übersteigen, ist nicht ohne Weiteres rechtsmissbräuchlich i. S. von § 42 der Abgabenordnung.
Quelle: Bundesfinanzhof
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